Brexit: Rückschlag für das EU-Gemeinschaftspatent

Trotz Brexit hatte die Britische Regierung das Abkommen über das Europäische Patentgericht ratifiziert. Jetzt erklärt sie das Aus für die gemeinsame Behörde.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen
Patent-Streit

(Bild: c't)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Kirsch
Inhaltsverzeichnis

Nach einer langen, holprigen Entstehungsgeschichte wurde das Gemeinschaftspatent der EU Ende 2012 beschlossen. Schon damals wollten sich nicht alle Mitgliedsstaaten beteiligen: Italien und Spanien klagten erfolglos vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das Sprachregime. Danach müssen EU-Gemeinschaftspatente nur noch auf Deutsch, Französisch oder Englisch eingereicht werden, nur bei Bedarf erfolgt eine Übersetzung in eine der anderen EU-Sprachen.

Als die Briten 2016 mit knapper Mehrheit den Ausstieg aus der EU beschlossen, schien das zunächst auch die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am Gemeinschaftspatent infrage zu stellen – und damit das ganze Konstrukt selbst. Denn Voraussetzung für das Inkrafttreten der Vereinbarungen ist unter anderem, dass Großbritannien, Frankreich und Deutschland das Abkommen über das Gemeinsame Patentgericht (UPC) ratifizieren. Für viele überraschend, taten das die Briten trotz Brexit im April 2018.

Nun erklärte die Regierung von Boris Johnson jedoch, dass sich das Land weder am Gemeinschaftspatent noch am UPC beteiligen werde. Damit setzt sie ihren Plan um, sich völlig von der als Bevormundung empfundenen EU-Gerichtsbarkeit abzukoppeln: „Die Beteiligung an einem Gericht, das EU-Recht anwendet und vom EuGH kontrolliert wird, ist nicht vereinbar mit unserem Ziel, eine unabhängige, sich selbst regierende Nation zu werden,“ sagte ein Sprecher des Premierministers.

Diese Entscheidung überraschte und enttäuschte einige britische Patent-Fachleute: Sie hatten gehofft, dass das Gemeinschaftsgericht als übernationale Behörde von der EuGH-Abstinenz verschont bleiben würde.

Mit dem Brexit ist somit auch der vorgesehene Standort der für Pharmazie zuständigen Abteilung des Gemeinsamen Patentgerichts in London hinfällig. Bevor die restlichen EU-Mitglieder das Abkommen jedoch ändern können, müssen sie sich auf einen Ersatz für die britische Hauptstadt einigen. Die Niederlande, Dänemark und Italien sollen interessiert sein.

Der Ausstieg Großbritanniens ist nicht die einzige Hürde für das EU-Gemeinschaftspatent. Denn noch hat Deutschland das UPC-Abkommen nicht ratifiziert, so dass es nicht in Kraft treten kann. Grund dafür sind vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Klagen gegen das UPC aus dem Jahr 2017 und gegen das Europäische Patentabkommen (EPC), die bis auf das Jahr 2010 zurückgehen.

Zwar will das Gericht darüber 2020 entscheiden, das hatte es jedoch auch schon in den beiden vorangegangenen Jahren vor. Besonders kritisch ist der Beschluss zu den Klagen gegen das EPC. Denn bei ihnen geht es um die Frage, ob das Abkommen, dem das Europäische Patentamt seit Jahren folgt, gegen das Grundgesetz verstößt. Sollte das Verfassungsgericht das bejahen, dürfte sich die Einführung des EU-Gemeinschaftspatent zumindest weiter verzögern – oder es beerdigen.

Dann bliebe auch den EU-Mitgliedern nur das bisherige Europäische Patent, an dem zwar noch weitere europäische Staaten beteiligt sind. Es muss jedoch für jeden Staat, in dem es gültig sein soll, in einer eigenen Übersetzung vorliegen und auch Prozesse gegen Patente oder deren Verletzung sind in den jeweiligen Staaten zu führen. Das Gemeinschaftspatent sollte diese Hürden zumindest für die EU-Mitglieder beseitigen. (ck)