Moderate Canon-Steuer und vielleicht Cine-Nikkore – Fotonews der Woche 17/2024

Sigma und Tamron kündigen Objektive für den RF-Mount an, Nikon will mehr aus Red machen, Photoshop kann noch mehr KI und die Fuji X100VI ist nicht nur edel.

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Das Originalbild zeigte nur den Flakon, der Hintergrund wurde über den Prompt links unten per Firefly erzeugt.

(Bild: Adobe)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nico Ernst
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Wenn im US-Englisch "die Hölle zufriert" ist etwas passiert, was eigentlich nicht sein kann. In dieser Woche gab es zwar keinen echten Eispanzer um den Hades, aber zumindest ein bisschen Raureif, denn Tamron und Sigma haben zeitgleich ihre ersten Objektive für Canons RF-Bajonett angekündigt. Was inzwischen in der Fotobranche als "Canon-Steuer" für die Lizenzkosten bekannt ist, können sich die beiden Firmen inzwischen offenbar leisten. Oder Canon hat ein bisschen Rabatt gewährt.

Natürlich gibt es das auch als Nikon-Steuer, der Konkurrent des Marktführers bei den Systemkameras hat seine Politik aber seit einem Jahr etwas aufgeweicht. Es scheint, als hätte Canon da schlicht mitziehen müssen, nachdem die beiden Firmen jahrelang ihre neu entwickelten Anschlüsse für die spiegellosen Systeme rechtlich vernagelt hatten. Dass das bei Canon nicht der Ausbruch einer neuen Offenheit ist, zeigt allein die Tatsache, dass es sich bei allen jetzt angekündigten Fremdobjektiven um APS-C-Geräte handelt. Die teuren Vollformatoptiken, vor allem die für Profis, will man dann doch lieber selbst verkaufen.

Konkret hat Sigma seine bei anderen Bajonetten recht günstigen Festbrennweiten mit f/1.4 in 16, 23, 30 und 56 Millimetern Brennweite für den Herbst 2024 angekündigt. Schon im Juli davor soll das 18-50mm-Zoom mit f/2.8 erscheinen. Preise gibt es noch nicht, es wäre ja auch zu schön, wenn man den Aufpreis für den RF-Mount schon vorab ausrechnen könnte. Auch für das einzige neue RF-Tamron, das 11-20mm-Zoom mit f/2.8 gibt es, wohl aus gleichem Grund, noch keinen Preis. Oder einen konkreten Termin, nur, dass es noch 2024 kommt, gibt der Hersteller an. Beide Firmen wollen da wohl schnell einen Claim abstecken, bevor potenzielle Kunden sich für die bevorstehende Urlaubssaison noch schnell bei Canon selbst eindecken.

Richtig eilig hat es auch Adobe, welche die KI-Funktionen in Photoshop kräftig ausbauen. Es gibt schließlich neben OpenAI und Microsoft jede Menge Start-ups, die am Hype um die Künstliche Intelligenz mitverdienen wollen. Da kann man sich – siehe Marktführerschaft bei Canon – einfach nicht überholen lassen. Bemerkenswert ist bei Adobe, wie sinnvoll die einzelnen KI-Funktionen auf den Alltag des Bildbearbeiters abgestimmt sind. War es Mitte 2023 das generative Ausfüllen rund um ein bestehendes Foto, welches das Problem des "passt-nicht-ins-Ziellayout" mal eben löste, so sind es jetzt Hintergründe.

Man muss nichts mehr von Hand freistellen, in Ebenen aufteilen, vielleicht ein Hintergrundmotiv kaufen, um etwa ein Produkt im vom Kunden gewünschten Look erscheinen zu lassen. Das macht die Firefly-3-KI mit ein paar Klicks. Das kann man langweilig finden, als Bedrohung für bestehende Geschäftsmodelle, wie alles rund um KI, nur: Es ist im Zweifel eine echte Arbeitserleichterung. Auch das Transportieren persönlicher Looks anhand eigener Bilder auf andere Inhalte beherrscht Firefly nun, wie unsere ausführliche Meldung zu den neuen Funktionen erklärt.

Noch nicht ganz so klar wie Adobes KI-Strategie ist, wie Nikon mit dem jüngst erworbenen Hersteller von Kameras für TV- und Kinoproduktionen Red weiter umgehen will. Denn auch wenn unsere Kolumne dem schnellen Erscheinen von Nikon-Objektiven für Filmanwendungen bei der Übernahme zunächst schlechte Chancen gab: Nikon denkt konkret darüber nach. Dies verrieten Vertreter von Red und dem neuen Mutterunternehmen im Gespräch mit Petapixel. Um die Nutzer und den gesamten Markt nicht zu verärgern, schob man noch nach, dass die Unterstützung der Red-Kameras für Canons RF-Bajonett und das in der Filmbranche weitverbreitete PL-Bajonett aufrechterhalten werden soll.

Wie Petapixel in seinem Podcast zutreffend weiter ausführt, geht es aber nicht nur um das Bajonett an der Kamera. Ein Z-Nikkor an die Reds zu flanschen, ist kein großes technisches Problem. Vielmehr brauchen professionelle Objektive zum Filmen echte mechanische Funktionen zum Zoomen und Scharfstellen, weil das oft von einer zweiten Person sowie externem Zusatzgerät erledigt wird. Die integrierte Elektronik der Objektive darf dabei nicht gegen die manuelle Bedienung arbeiten. Die Krönung wären dann auch motorisierte Zooms, wie sie vor einigen Monaten auch Canon vorgestellt hat.

Hier hat Nikon selbst noch nichts für den Z-Mount zu bieten. Umgekehrt könnten neue Nikkore auch für die bestehenden Systemkameras der Z-Linie durch solche Funktionen zum Filmen interessanter werden. Und natürlich spielt auch das Red-Patent für bestimmte Arten von Raw-Video-Aufzeichnung in der Kamera eine Rolle. Wie jetzt bekannt wurde, begann der Prozess der Übernahme bereits vor zwei Jahren, als Red sich in einem Patentstreit mit Nikon befand. Unbekannt ist weiterhin, wie Nikon sich anderen Herstellern gegenüber als neuer Eigner der Erfindung verhält.

Bis eventuelle Cine-Nikkore jedoch erscheinen, dürfte es mindestens noch so lange dauern, wie die Auslieferung der Fujifilm X100VI, wenn man sie jetzt bestellt. Der Hersteller gibt an – wie schon bei der Vorgängerin –, dass es Monate dauern wird, bis die sehr hohe Nachfrage bedient werden kann. Das liegt nicht nur am Status als "Edelkompakte", sondern schlicht am hohen Nutzen und der Bildqualität. Folglich ist auch unser ausführlicher Test die Empfehlung für einen Long Read zum Wochenende. Wir stellen dort die Fuji auch der noch viel teureren Leica Q3 und der günstigeren Ricoh GR III gegenüber, und zwar mit einem Schwerpunkt auf dem Fotografieren.

Wer sich zusätzlich auch genau fürs Filmen – immerhin bis zu 6.2K-Auflösung – interessiert, sei auf diesen Teil des Testvideos von Petapixel verwiesen, wo sich auch ein paar Schwächen zeigen. Denn in kleineren Formaten – mit Crop und hohen Bildraten – schaltet sich die Fuji wie auch viele andere Kameras wegen Überhitzung nach einiger Zeit ab. Mindestens 20 Minuten sind aber immer drin, das reicht auf jeden Fall bis zum nächsten Schnitt bei einem Vlogging- oder anderen Webvideo-Beitrag. Und für vollständiges Filmemachen ist die X100VI ja auch nicht gedacht, da fehlt schon die Möglichkeit des Objektivwechsels. Und wer sich die Zähne nicht noch länger machen will sowie eine Alpha 1 besitzt, kann sie alternativ zur Lektüre updaten. Sony hat das fehlerhafte und zurückgezogene Firmware-Update für die Kamera in der korrigierten Version 2.01 veröffentlicht.

(nie)